Augenzeugenbericht

Vokal Ensemble total 2010

„Vokal Ensemble total“. Das klang beeindruckend. Und so überwog die Skepsis, als der Bass im Winter das Programmheft des amj mitbrachte und vorschlug, sich zu dem gleichnamigen Wochenend-Kurs im kommenden Sommer anzumelden. Schließlich hatten wir uns erst im Spätsommer zusammengefunden, von einem Repertoire konnte kaum die Rede sein. Ebensowenig hatte unser Quartett bislang einen Gedanken an einen Namen verschwendet, und für die Verfasserin waren es gar die ersten sängerischen Schritte ohne die vertraute Stütze des „großen Chores“.

Große Spannung ging dem Wochenende voraus: Drei Ensembles aus dem Rhein-Main-Gebiet hatten sich angemeldet, soviel war bekannt. Würde man hier auf perfekt aufeinander eingestimmte Sänger auf hohem Niveau und mit großer Konzerterfahrung treffen? Alle Vorbehalte verflogen jedoch nach der Ankunft im idyllisch gelegenen Jugendgästehaus bei Butzbach am Freitag Abend und ersten Trainingseinheit „Körper und Stimme“ durch einen der drei Dozenten im Nu und wichen rasch einer überaus motivierenden und konzentrierten Arbeitsatmosphäre.

Die drei Dozenten, die in stündlichen Einheiten im Wechsel mit den Ensembles arbeiteten, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Wo bitte sitzt der Ich-Punkt beim Singen? Die Antwort gab – durch Gesten und Mimik anschaulich untermalt - Marion Bücher-Herbst, für die nach eigenem Bekunden „Bach schon zu den modernen Komponisten“ gehört. Mit ihr zusammen schafften wir es tatsächlich nach kurzer Zeit, unser Rennaissance-Stück zum swingen zu bringen. Britta Adams, Expertin für perfekte Bühnenpräsentation, sorgte mit ihrer direkten Art mitunter für große Heiterkeit: Hätten wir ohne sie wohl herausgefunden, wie befreiend es ist, das Notenheft trotz Unsicherheit aus der Hand zu legen und einfach drauflos zu singen? Und Andreas Cessak schließlich, dessen analytische Herangehensweise un, neben fundiertem Fachwissen manch wertvolle Anregung gegeben hat, wie das noch junge Ensemble stimmlich zusammenfwachsen kann. Allen Dozenten gemeinsam ist eine überaus motivierende Art in der Zusammenarbeit mit den Sängern; uneingeschränkte Hochachtung aber gebührt Ihnen für ihre Fähigkeit, sich innerhalb von Minuten auf eine neue Gruppe Sänger einzustellen, die mit vollkommen unterschiedlichen Wünschen und Voraussetzungen zu ihnen kamen: Da galt es, zusammen mit dem reinen Frauenensemble den Notentext eines Blues-Songs den Stimmen ein wenig anzupassen und gleich darauf mit der nächsten Kleingruppe an der Umsetzung einer kontrapunktischen Komposition des Frühbarock zu feilen.

Es war das heißeste Wochenende des Sommers bis dahin, aber weder Hitze noch gleichzeitig stattfindende Fußballweltmeisterschaft schien der Motivation der Ensembles und Dozenten irgendetwas anhaben zu können. So wie sich die deutschen Fußballer an diesem Wochenende scheinbar mühelos in das Halbfinale des Turniers spielten, haben sicherlich auch die drei teilnehmenden Ensembles des Kurses ein wichtiges Etappenziel auf dem Weg zum harmonischen Zusammenklang erreicht – oder einfach nur eine tolle Erfahrung gesammelt, die auch die Skeptiker neugierig gemacht hat auf mehr. Und die geradezu danach verlangt, wiederholt zu werden. In diesem Sinne: Auf Wiedersehen in Butzbach!

Anke Blecher